Das Verkehrswendebündnis Lüneburg begrüßt die Tour de Verkehrswende
Am 23.08.2023 machte die Tour de Verkehrswende Halt in Lüneburg und wurde vom Verkehrswendebündnis Lüneburg begrüßt.
Foto (c) Malte Hübner
„Warum nicht Bullerbü?“
Das berühmt gewordene Zitat der ehemaligen Kandidatin um das Amt der Ersten Bürgermeisterin von Berlin „mehr Bullerbü in der vibrierenden Hauptstadt“ ist eines der Mottos der Tour de Verkehrswende 2023, die am 23. August 2023 in der Hansestadt Lüneburg Station machte.
Etwa 40 engagierte Radelnde wurden bei der Ankunft auf dem Lüneburger Marktplatz von noch einmal so vielen Radfahrerinnen und Radfahrern von der Bardowicker Mühle aus begleitet.
Die Gruppe fährt in zehn Etappen von Bremerhaven bis nach Berlin, um dort eigene Forderungen sowie jeweils drei konkrete Wünsche aus den Etappenorten an die Bundesregierung zur Verbesserung der Radverkehrssituation zu übergeben. In Lüneburg hat das Verkehrswendebündnis aus ADFC, Fridays for Future, Fuss e.V., Klimaentscheid, Klimakollektiv, Lastenräder für Lüneburg, Parents for Future, Radentscheid und VCD, die Gruppe vor der dem Rathaus empfangen. Thomas Kolbeck hat die Ziele und Aktivitäten des Bündnisses erläutert und eine „Botschaft für Berlin“ mitgegeben. Die drei Lüneburger Wünsche für die Verkehrswende sind 1. Tempo 30 innerorts, 2. jährlich eine Milliarde Euro für den Ausbau sicherer Radwege, 3. keine neuen Autobahnen.
Gründe für diese Forderungen:
1. Tempo 30 innerorts
In Stadt und Landkreis Lüneburg sind in den vergangenen Jahren die Benutzungspflicht für Radwege an vielen Stellen aufgehoben worden und zwar insbesondere dort, wo sich Radwege im schlechten Zustand befinden. Statt der Sanierung bzw. des Baus durchgehender, sicherer und komfortabler Radwege (Oberflächenqualität, Breite) wird der Radverkehr in den Mischverkehr mit KFZ und Schwerlastverkehr geschickt, vielfach ohne dass sichernde Maßnahmen bzw. eine Kenntlichmachung für Autos und LKW erfolgten. Eine Ausnahme stellt hier die Gemeinde Adendorf dar, die mit Piktogrammketten das Signal gegeben hat „hier fahren Fahrräder regelhaft auf der Straße“. Durch das Aufheben von Radwegen und oft genug auch das abrupte Ende eines Radweges müssen Radfahrende innerorts Straßenseiten wechseln (Beispiel Ortseingang Kirchgellersen und Westergellersen von Westen kommend, Ortsmitte Reppenstedt), um entweder auf die Straße oder auf den benutzungspflichtigen Radweg zu wechseln. Das sind echte Gefahrenstellen, die durch Tempo 30 entschärft würden. Generell ist das Gefährdungspotenzial für Radfahrende im Mischverkehr deutlich geringer, wenn der motorisierte Verkehr mit Tempo 30 unterwegs ist. Da nicht nur junge, agile Menschen Rad fahren, sondern alle Menschen daran teilhaben sollen, ist Sicherheit eines der wichtigsten Ziele der Verkehrsentwicklung und –politik!
Die aktuelle Rechtslage in der StVO verhindert, dass Städte und Gemeinden auf Hauptverkehrsstraßen selbst entscheiden dürfen, wo sie aus Sicherheits- oder auch Lärmschutzgründen Tempo 30 anordnen. Der Initiative Lebenswerte Städte, die eine Änderung der Rechtslage fordert, haben sich bereits rund 700 Städte und Gemeinden in Deutschland angeschlossen. Das Bundesverkehrsministerium scheint aber kommunalen Verwaltungen nicht zuzutrauen, diese Entscheidungen in eigener Zuständigkeit treffen zu können. Der ADFC unterstützt die Forderung, dass die Entscheidung über Tempo 30 innerorts Städte und Gemeinden grundsätzlich nach eigenem Ermessen entscheiden sollen.
2. Jährlich eine Milliarde für den Ausbau sicherer Radwege
Deutschlandweit ist der Investitionsbedarf in sichere und qualitätvolle Radwege gigantisch. Die Länderverkehrsminister haben daher die Forderung an den Bund gerichtet, künftig mehr Geld für den Ausbau zugunsten des klimafreundlichen und CO2-armen Radverkehrs zur Verfügung zu stellen.
In 2022 standen 750 Millionen Euro, in 2023 nur noch 560 Millionen zur Verfügung und im Haushaltsplan 2024 hat das FDP-geführte Bundesverkehrsministeriums sogar nur 400 Millionen vorgesehen. Damit finanziert die aktuelle Ampelkoalition den Radverkehr schlechter als die frühere große Koalition. Wer hätte das erwartet? Der Vollständigkeit halber ist hier zu ergänzen, dass die Erwartungen an die Steuereinnahmen beim Bund in den kommenden Jahren laut der unten stehenden, vom Bundesfinanzministerium veröffentlichten Berechnung steigen werden.
3. Keine neuen Autobahnen
Deutschland ist das europäische Land mit dem dichtesten Autobahnnetz – schon heute. Deutschland verfehlt die Klimaziele im Verkehrssektor - schon heute. Trotzdem sollen gemäß Bundesverkehrswegeplan bis 2030 noch rund 800 Autobahnkilometer neu gebaut werden. Damit werden weitere Flächen versiegelt, obwohl das Gegenteil notwendig ist. Damit werden Finanzmittel dem dringenden Ausbau des ÖPNV und Radverkehrs entzogen. Und nicht zuletzt ist hinlänglich bekannt: mehr Straßen erzeugen mehr Verkehr, obwohl das Gegenteil notwendig ist.
Norddeutschland würde durch den Bau der A20, A26 sowie der A39 – direkt vor unserer Haustür – stark von den Eingriffen in Natur und Landschaft betroffen sein. Der ADFC hält diese Vorhaben nicht für eine zukunftsfähige Verkehrspolitik.
Die Tour de Verkehrswende, die von Changing Cities organisiert und durchgeführt wird und am 1. September u.a. die Lüneburger Forderungen in Berlin übergibt, war daher ein gern gesehener Gast in der Hansestadt und wir hoffen, dass alle Radfahrer:innen gesund und fröhlich in Berlin ankommen und die Bundesregierung sich intensiv mit den Forderungen der Menschen auseinandersetzt, die in lebenswerten Städten (und auch Dörfern) leben möchten.