Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Kreisverband Lüneburg

Kreuzung am Kunkelberg

Kreuzung am Kunkelberg © Uwe Wenk

Kunkelberg in Oedeme: Regelwidrige Beschilderung in Tempo-30-Zone

ADFC Lüneburg fordert verkehrsrechtlich korrekte Umsetzung der Tempo-30-Zone

Die Situation

Der Kunkelberg im Lüneburger Ortsteil Oedeme liegt vollständig innerhalb einer ausgewiesenen Tempo-30-Zone. An allen Kreuzungen (Winkelweg, Bleckengrund, Werner-von-Meding-Straße/Bergstraße) sowie der Einmündung Steinweg sind jedoch durchgehend Verkehrszeichen Nr. 301 („Vorfahrt") angebracht. Diese Beschilderung widerspricht den rechtlichen Vorgaben der Straßenverkehrsordnung.

Der rechtliche Rahmen

Nach § 45 Abs. 1c StVO sowie der VwV-StVO zu Zeichen 301 gilt innerhalb von Tempo-30-Zonen grundsätzlich die Regelung „rechts vor links". Abweichende Vorfahrtsregelungen durch Beschilderung sind nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig:
"Zu § 42 Richtzeichen
Zu Zeichen 301 Vorfahrt
IV. Das Zeichen ist für Ortsdurchfahrten und Hauptverkehrsstraßen nicht anzuordnen. Dort ist das Zeichen 306 zu verwenden. Im Übrigen ist innerhalb geschlossener Ortschaften das Zeichen 301 nicht häufiger als an drei hintereinander liegenden Kreuzungen oder Einmündungen zu verwenden. Sonst ist das Zeichen 306 zu verwenden. Eine Abweichung von dem Regelfall ist nur angezeigt, wenn die Bedürfnisse des Buslinienverkehrs in Tempo-30-Zonen dies zwingend erfordern."
Ein derartiger Ausnahmefall liegt am Kunkelberg nicht vor.

Chronologie: Von der guten Absicht zur Problemlage

2017: Einführung der Tempo-30-Zone mit Sonderregelung

Im Februar 2017 wurde die Tempo-30-Zone im Bereich Kunkelberg beschlossen. Auf Anregung der Ortsbürgermeisterin Christel John sollte der Kunkelberg jedoch durch entsprechende Verkehrszeichen eine Vorfahrtsstraße bleiben. Die Begründung: Radfahrende Schulkinder sollten ungehindert zum Schulzentrum Oedeme fahren können.

In einer Sitzung des Ortsrates Oedeme im August 2017 wurde ein erster Erfahrungsbericht zur neuen Tempo-30-Regelung vorgelegt. Auf die Konkurrenz zwischen PKW- und Radverkehr verwies ein Mitglied des Ortsrates hin. Ihrer Meinung nach hätten die Autofahrer die Neuregelung offenbar noch nicht zur Kenntnis genommen. Insbesondere morgens sei die Gefährdung sehr groß. Sie forderte Piktogramme auf der Fahrbahn.

Dazu meldete sich die Ortsbürgermeisterin in einer Sitzung zu Wort. Sie widersprach Befürchtungen bezüglich der neuen Regelung: Es sei bisher nicht zu Unfällen gekommen, außerdem würden dort zahlreiche Autos parken, so dass man dort nicht rasen könne.

2018: Erste Anzeichen von Problemen

Im August 2018 bat die Ortsbürgermeisterin um die zeitweilige Aufstellung einer Geschwindigkeitstafel (Smiley) im Kunkelberg. Viele Autofahrer hätten sich noch nicht an die Tempo-30-Zone gewöhnt. Stadtrat Moßmann sagte daraufhin eine Umsetzung nach Abschluss der Schulanfangsphase zu.

2019: Messungen belegen massive Geschwindigkeitsüberschreitungen

Im Frühjahr 2019 führte die Stadt Geschwindigkeitsmessungen durch (30.04. bis 07.05.2019). 
Die Ergebnisse waren alarmierend:

  • 3.300 Fahrzeuge wurden gemessen (inkl. Radfahrer)
  • nur 38 Fahrzeuge (ca. 1%) hielten sich an die  zulässige Geschwindigkeit 30 km/h
  • 2.630 Fahrzeuge fuhren 31-40 km/h
  • rund 700 Fahrzeuge (ca. 21%) fuhren schneller als 40 km/h
  • Spitzengeschwindigkeit: 66 km/h

Als Reaktion wurden Tempo-30-Piktogramme auf der Fahrbahn aufgebracht. 
Eine Evaluation zur Wirksamkeit dieser Maßnahme fand jedoch bis zum heutigen Tage nicht statt.

2025: ADFC fordert regelkonforme Umsetzung

Erste Kontaktaufnahme im Juni

Am 11. Juni 2025 wandte sich der ADFC Lüneburg mit einem ausführlichen Schreiben an die Hansestadt Lüneburg. 
Die zentralen Forderungen:

  • Entfernung der Verkehrszeichen Nr. 301 („Vorfahrt") und Nr. 205 („Vorfahrt gewähren!")
  • Anwendung der gesetzlich vorgeschriebenen Regelung „rechts vor links"
  • Gegebenenfalls Verdeutlichung durch Markierungen (z.B. „Haifischzähne")

Begründung: Die derzeitige Vorfahrtsregelung führt nachweislich dazu, dass das Tempolimit regelmäßig überschritten wird, da Straßenführung und Beschilderung zu höheren Geschwindigkeiten verleiten.

Dieses Schreiben ging auch zur Kenntnisnahme an die Ortsbürgermeisterin.

Reaktion der Ortsbürgermeisterin

Einen Tag später antwortete Ortsbürgermeisterin Christel John dem ADFC per E-Mail. Sie hielt an ihrer Position fest: Die Beschilderung sei für die Schüler als Schutz angebracht worden. Es sei kaum anzunehmen, dass die Rechts-vor-Links-Regel von jungen Radfahrern beachtet werde.

Erinnerungsschreiben im Oktober – keine Reaktion der Stadt

Da die Hansestadt Lüneburg auf das erste Schreiben nicht reagierte, wiederholte der ADFC am 11. Oktober 2025 seine Forderung. 
Diesmal mit besonderer Dringlichkeit, denn:

  1. Schulweg: Der Kunkelberg wird stark von radfahrenden Schülern genutzt.
  2. Vollsperrung der Soltauer Straße: Seit dem 13.10.2025 ist die Soltauer Straße wegen Brückenneubaus voraussichtlich bis Ende Mai 2026 vollständig gesperrt. Der Kunkelberg droht als inoffizielle Umleitungsstrecke zusätzlich belastet zu werden.

Im Januar 2025 veröffentlichte die Hansestadt Lüneburg den "Nachhaltigen urbanen Mobilitätsplan" (NUMP).
Darin wird (auf Seite 53) der Kunkelberg als eine von mehreren beispielhaften Straßen für Verkehrsberuhigung durch "(Teil-)Aufpflasterung" genannt. Die geschätzten Kosten: 5.000 € bis 30.000 €.

Dies zeigt: Die Stadt hat das Problem erkannt und plant bauliche Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung – reagiert aber nicht auf die Anfragen des ADFC zur regelkonformen Beschilderung.

Die Position des ADFC

Der ADFC Lüneburg argumentiert:

Verkehrssicherheit: Eine verkehrsrechtlich korrekte Ausgestaltung dient der Sicherheit – insbesondere für Kinder. 
Die ursprüngliche Absicht, Schulkinder zu schützen, verkehrt sich ins Gegenteil: Die Vorfahrtsregelung verleitet zu höheren Geschwindigkeiten beim PKW-Verkehr, was die Gefährdung erhöht.

Rechtskonformität: Die aktuelle Beschilderung widerspricht den klaren Vorgaben der StVO. 
Tempo-30-Zonen sind bewusst so konzipiert, dass durch die Rechts-vor-Links-Regelung der Verkehr beruhigt wird.

Lärmschutz und Wohnqualität: Die konstanten Geschwindigkeitsüberschreitungen belasten die Anwohner des reinen Wohngebiets durch Lärm und verringern die Aufenthaltsqualität.

Empirische Belege: Die Messungen von 2019 zeigen eindeutig, dass die aktuelle Regelung ihr Ziel, die Verstöße gegen die Tempo-30-Regelung zu unterbinden, verfehlt.

Verfasser: Uwe Wenk

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